Trend: Faszien-Training – Was ist wirklich dran?

Trend: Faszien-Training – Was ist wirklich dran?
© Mihai Blanaru / shutterstock.com


War man gestern noch auf den Aufbau einzelner Muskeln konzentriert, geht es heute um elastischen Schwung und jugendliche Straffheit – und zwar bis ins hohe Alter hinein. „Jung bleiben“ ist also wieder mal das Zauberwort. Und das will ich natürlich auch! Am besten für immer! Also, habe ich mich mal mit dem Thema auseinander gesetzt und mich gefragt: Was ist wirklich dran an dieser neuen Wundermethode, die scheinbar unsere menschlichen Probleme zu lösen vermag? Wobei ich zunächst noch einen Schritt zurückgehen muss; denn zugebenermaßen hatte ich zunächst eine andere Frage auf den Lippen und die war:

Was sind Faszien überhaupt?

Faszien kann man sich vorstellen wie ein riesiges Spinnennetz, das unter unserer Haut liegt und dort unseren ganzen Körper und jeden einzelnen Muskel umspannt. Dieses milchig-weiße Bindegewebe zählt mit zu den größten Sinnesorganen des Menschen. Faszien stehen auch in Verbindung mit unserem zentralen Nervensystem. Dadurch werden lebenswichtige Körperfunktionen, wie zum Beispiel unsere Atmung, Verdauung oder die Beweglichkeit der inneren Augenmuskeln, reguliert.

Auch die Lymphe wird zwischen den Faszien abgeleitet. Das heißt: Je besser sich die Muskeln bewegen können, desto besser funktioniert auch der Transport der hellgelben Flüssigkeit. Wenn es aufgrund von Verspannungen zu einem Stau der Lymphe kommt, können Faszien verkleben.

Dies kann durch Bewegungsmangel oder falsche Bewegungen ausgelöst werden. Dauert dieser Prozess länger an, verkürzen und verhärten sich die Faszien mit der Zeit. Sie werden unbeweglich und grenzen dadurch wiederum den Bewegungsspielraum unserer Muskulatur ein.

Durch nervale Rezeptoren haben Faszien auch auf unsere Psyche einen großen Einfluss, denn diese gelten als neurologische Kommunikationspunkte. Die Informationen werden an das Nervensystem weitergleitet. Stress kann dabei Schmerzreize aussenden und die Körperspannung steigern; innere Gelassenheit hingegen senkt sie. Wer also Stress reduzieren will, sollte seine Faszien entspannen. Aber wie?

Und hier kommt das Faszien-Training ins Spiel

Auf eine gewissen Art und Weise tun wir es schon lange. Sportarten wie Yoga und Pilates oder auch normale Dehnübungen bewirken eine bessere Beweglichkeit und Motorik, die wiederum positiv auf unsere Psyche wirkt. So ist auch das neue Trainingskonzept Fascial Fitness aus Elementen des Yoga, östlicher Kampfkünste und herkömmlichen Gymnastikübungen aufgebaut. In der Verbindung damit hört man häufig auch von der sogenannten Blackroll. Die Funktion ist die Gleiche wie beim Franklin-Ball. Durch das Abrollen der verschiedenen Köperteile an der Schaumstoffrolle werden diese beim Dehnen noch zusätzlich massiert. Der Druck, der dadurch entsteht, bewirkt, dass die Lymphe wieder besser fließen kann und verklebte Faszien sich lösen. Wir empfinden dieses Lösen dann als sogenannte „Wohlspannung“ oder auch „Wohlschmerz“.

Letztendlich ist Faszien-Training also eine Mischung aus Massage und Dehnung, die wohltuend sein soll und zur Entspannung führt. Klingt nach einem tollen Konzept. Doch eigentlich kennt man das doch schon, oder?

Was macht Faszien-Training so neu?

Laut Dr. Robert Schleip von der Universität Ulm sind es weniger die Bewegungen, die innovativ sind, sondern die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die dahinter stehen. Das erklärte er in einem Interview mit Spiegelonline. Allerdings sind die Studien dazu noch sehr neu. Laut Zeit.de belegt derzeit wohl noch keine davon, wie wirkungsvoll Faszien-Training wirklich ist. Immerhin ist aber relativ sicher, dass man Faszien durch einen leichten Druck auf sie „manipulieren“ kann, wie es also bei Massagen oder Übungen mit der Blackroll der Fall ist. Allerding sollte man für diese sogenannte „Mobilisierung der Faszien“ unbedingt einen bestens ausgebildeten Spezialisten aufsuchen.

Kann man also durch das eigene Faszien-Training via YouTube Videos wirklich etwas verbessern oder ist der der neue Trend eher eine Art der Fitnessindustrie, Geld zu machen? Immerhin sind seitdem zahlreiche neue Fitnessgeräte und Bücher erschienen. Erst neulich las ich von dem innovativen Sitz Swopper. Mit dem soll man seine Faszien jetzt sogar während der Arbeit trainieren können. Und dabei muss man nichts weiter tun, als darauf zu sitzen. Eine bestimmte Federung, die sich den natürlichen Körperbewegungen anpasst, erledigt dann den Rest. Kling gut, scheint aber im Prinzip auch nur ein weiterer ergonomischer Bürostuhl zu sein, dem man jetzt das Wort Faszien angeheftet hat, um einen besseren Verkaufserfolg zu erzielen…?

So ganz lässt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Faszien-Trainings wohl noch nicht klären. Vielleicht muss man es auch einfach mal selbst ausprobieren? Laut Dr. Schleip sollte die Einbeziehung der Faszien sowieso nur eine kleine, aber wichtige Ergänzung für den Trainingsbereich sein. Er selbst meinte im Spiegel-Interview: „Wenn der aktuelle Hype sich in ein bis zwei Jahren gesetzt hat, bin ich sicher, dass ein allgemeines Verständnis übrig bleibt.“*

Na, das klingt doch vernünftig. Und was ziehen wir nun daraus? Bleiben wir mit Faszien-Training ewig jung oder nicht? Nun, diese Frage kann ich leider noch nicht beantworten. Aber ich würde sagen: Machen Sie zur Sicherheit weiter mit Ihrem Yoga, Pilates oder einfach nur Ihren Dehnübungen und rollen Sie schmerzhafte Stellen auch gerne mal auf Ihrer Blackroll ab. Denken Sie dabei einfach ganz bewusst daran, wie gut das für Ihre Faszien ist. Ich selbst habe erst neulich – inspiriert von einem tollen Video – meinen Nacken an einer Wasserflasche abgerollt und muss sagen: Der „wohltuende Schmerz“ war im Nachhinein immerhin sehr entspannend.

*http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/faszien-training-nicht-ueber-den-wohltuenden-schmerz-hinaus-a-1017170.html (abgerufen am 15.06.2016)



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